Folgendes Schulporträt entstand im Rahmen unseres LemaS Projekts in Zusammenarbeit mit der Universität Paderborn.

 

4.4 Schulporträt der Gemeinschaftsgrundschule Biesfeld

„Jedes Kind ist anders und jedes Kind ist gut so wie es ist!“

4.4.1 Grundlegende Informationen zur Schule

Die Gemeinschaftsgrundschule befindet sich im ländlich gelegenen Kirchdorf Biesfeld, zugehörig zur Gemeinde Kürten in Nordrhein-Westfalen. Es handelt sich dabei um eine Grundschule mit offenem Ganztagsangebot, die von derzeit knapp 200 Kindern (zweizügig) besucht wird. Etwa 130 Kinder besuchen gegenwärtig die OGS.

GGS Schulhof

Abbildung 1: GGS Biesfeld

 

Das Team besteht aus der Rektorin Gabi Engels, 12 Lehrkräften, einer Musikfachfrau, einer Sozialpädagogin sowie einer Sonderpädagogin. Ergänzt wird das Team durch eine Schulsekretärin und einem Hausmeister.

Die GGS Biesfeld ist seit 2017 eine Schule des gemeinsamen Lernens.

Mit ihrem pädagogischen Schwerpunkt auf individuellem Lernen nimmt sie die Kinder in ihrer Heterogenität in den Blick. Die Unterschiedlichkeit der Kinder, beispielsweise im Hinblick auf ihre Begabungen, emotionalen Fähigkeiten, Erfahrungen und Entwicklungsstände sowie ihre Charaktere wird aufgegriffen und jedem Kind ein individuelles Lernangebot gemacht. Damit wird auch ein breites und Im Wesentlichen inklusives Verständnis von Begabungen verfolgt.[1]

Abbildung 2: Das Team der GGS Biesfeld

 

4.4.2 Besonderheiten

Die Grundschule Biesfeld hat an verschiedenen Stellen Strukturen und Angebote etabliert, die individuelles Lernen mit einem Fokus auf Heterogenität sowie Begabungsförderung unterstützen. Das übergeordnete Ziel ist es dabei, Kinder in ihrer Entwicklung zu mitfühlenden und mitdenkenden Persönlichkeiten zu unterstützen.

Lernorganisation

So wechseln sich individuelles und gemeinsames Lernen in Form von freien Lernzeiten sowie den Fachstunden (gebundene Unterrichtsstunden) im Tagesverlauf ab.

In den freien Lernzeiten, die sich im ersten Tagesblock befinden, können die Kinder Lerninhalte, Lernmethoden sowie Lernmaterialien aus einem Angebot auswählen. Als mögliche Orte für diese Settings fungieren die Fachräume für Deutsch und Mathematik, ein Forscherraum sowie ein Stillarbeitsraum und die Bücherei. In den Fachräumen finden die Kinder neben vorbereiteten Lernumgebungen auch Begleitung und Beratung durch eine Lehrkraft vor. Ihre Lernfortschritte dokumentieren die Kinder in Arbeitsplänen; ab Klasse zwei führen die Kinder selbstständig Lerntagebücher.

Im zweiten sowie im dritten Unterrichtsblock finden die Fachstunden im Klassenverband statt.

Auch im Hinblick auf die Lerngruppen besteht ein großer Individualisierungsspielraum: So können die Schüler*innen nach eigener Wahl mit beratender Unterstützung der Lehrkräfte sowohl in jahrgangshomogenen wie auch jahrgangsgemischten Gruppen lernen.

Äquivalent zu diesen Lernblöcken bieten auch die Hausaufgaben ein hohes Maß an Individualisierung: In den meisten Fällen wählen Kinder ihre Aufgaben selbstständig aus. Lediglich für die Vor- oder Nachbereitung von Fachstunden kann es verbindliche Hausaufgaben für alle geben.

Zusätzlich zu diesen regelmäßigen Angeboten werden alle 6-8 Wochen klasseninterne Projekte, die „bunten Wochen“, organisiert, an denen jeweils im ersten Unterrichtsblock mit 9 bis 10 Wochenstunden gearbeitet wird. Auch dieses Angebot dient vorrangig dazu, die Eigenaktivität sowie den individuellen Lernwillen und die Neugier der Kinder zu fördern.

Neben diesen allgemeineren, strukturellen Besonderheiten, die insgesamt den Gedanken des individuellen Lernens widerspiegeln, gibt es an der GGS Biesfeld weitere Schwerpunkte, denen, ebenso wie der Lernorganisation, Gedanken der Begabungsförderung als Querschnittsthema inhärent sind.

 

Demokratie und Mitbestimmung

Partizipation von Schüler*innen sowie eine aktive Hinführung zu demokratischen Strukturen werden in der GGS an verschiedenen Stellen ermöglicht. So gibt es neben vielfältigen Absprachen in den Klassen und Klassenratssitzungen auch regelmäßig stattfindende Schulversammlungen sowie eine Kinderkonferenz (KIKON), auf der sich die Klassenvertreter*innen austauschen. Dabei wird insbesondere darauf geachtet, Kinder wertzuschätzen, besondere Lernerfolge zu würdigen. Es gibt Lob- und Kritikrunden sowie die Einbindung der Kinder in organisatorische Entscheidungen.

Auch im direkten Bezug auf eine begabungsfördernde Schulentwicklung dürfen Kinder an Prozessen partizipieren. So wurden eine Umfrage unter Schüler*innen zu ihren Begabungen durchgeführt. Die Ergebnisse hielten die Kinder selbst auf Kärtchen fest, die wiederum zu einem Herz angeordnet, in der Eingangshalle der Schule aufgehängt wurden. Ergänzt wird das Bild noch durch Begabungen der Lehrkräfte.

Abbildung 3: Sammlung der Begabungen von Schüler*innen

 

Ein freundliches, wertschätzendes Miteinander

Die GGS Biesfeld legt besonderen Wert auf eine angenehme Lernatmosphäre, die von Wertschätzung, Fairness und Freundlichkeit geprägt ist. Dazu wurden die folgenden Regelungen etabliert:

„Unsere Schule ist eine Gemeinschaft

…, in der Kinder, Lehrer, Eltern und Mitarbeiter miteinander leben und arbeiten. Jeder ist gleichgewichtig.
…, in der wir uns mit unseren unterschiedlichen Meinungen, Stärken und Schwächen einbringen, gegenseitig annehmen und aufeinander Rücksicht nehmen.
…, in der Kinder lernen, mit Freude eigenverantwortlich und selbständig zu arbeiten und zu handeln.
…, in der Kinder wachsen und sich entfalten können, indem sie mit „Kopf, Herz und Hand“ lernen.
…, in der wir mit der Schule und ihrer Einrichtung, mit eigenem und fremdem Eigentum sorgfältig und achtsam umgehen, damit wir uns alle wohl fühlen.
…, in der Lehrerinnen und Lehrer vertrauensvoll miteinander umgehen und gleiches Vertrauen in die Kinder legen, sie eigene Wege gehen lassen, aber auch notwendige Grenzen aufzeigen.“
[2]

 

Eine lernfreundliche und geborgene Atmosphäre manifestiert sich auch im Schulgebäude: Hier wurde viel Wert darauf gelegt, Räume besonders ansprechend und anregend auszugestalten. Ein Beispiel dafür ist die Lesewolke, ein Raum, der zum Entspannen und Sich-Vertiefen in Bücher einlädt.

Beratung von Kindern und Eltern

Der dritte Fokus der GGS liegt auf der Kooperation und Partizipation verschiedener Akteure in Form einer etablierten Beratungskultur. Dies beinhaltet im Besonderen die enge Zusammenarbeit mit und Beratung von Eltern, die sich nicht nur auf den Kontakt bei Schwierigkeiten beschränkt. In speziellen Kindersprechzeiten erfahren Kinder Beratung im Hinblick auf ihre individuellen Lernwege sowie Themen, die das soziale Leben betreffen. Diese Sprechzeiten stellen einen wichtigen Bestandteil einer begabungsfördernden Schulkultur dar, da sie eine Reflexion individueller Lernwege und Begabungen ermöglichen und Kinder entgegen einer reinen Orientierung an Schulleistung oder vermeintlichen Defiziten in ihrer Individualität bestärken und wertschätzen. Diese Form von Beratung trägt zudem dazu bei, auch bei Lehrkräften ein Nachdenken über individuelle Begabungen anzuregen, sodass diese Elemente integrativer Bestandteil der Schulkultur werden und sich nicht in additiven Angeboten erschöpfen.

4.4.3 Gelingensfaktoren auf dem Weg zu einer begabungsfördernden Schulkultur

In den genannten Besonderheiten der GGS Biesfeld sind bereits einige Punkte enthalten, die als Gelingensbedingungen bzw. Gelingensfaktoren einer Begabungsfördernden Schulkultur bezeichnet werden können. Dazu gehören neben der Haltung gegenüber Kindern und allen weiteren schulischen Akteur*inen, die von flachen Hierarchien und großer Wertschätzung geprägt ist, insbesondere die zahlreichen Stellschrauben auf der Ebene der Schulorganisation, die durchgehend ein hohes Maß an Individualisierung und Adaptivität ermöglichen. Auf diese Weise wird nicht nur eine Schulkultur erschaffen, die Heterogenität der Kinder als Normalfall ansieht und diese positiv aufnimmt, sondern auch das Gefühl vermittelt, dass jede Begabung, jedes individuelle Interesse und jeder Lebensweg, unabhängig von Distinktionen im Hinblick auf kulturelles Kapital oder Verständnissen von „wirtschaftlicher Verwertbarkeit“, wertvoll ist.

Abbildung 4: Sammlung zur Vielfalt möglicher Begabungen bei Kindern an der GGS Biesfeld

 

Kommunikation im Team, Offenheit und transparentes Schulleitungshandeln

Neben diesen übergreifenden Gelingensfaktoren im Hinblick auf eine begabungs- und leistungsfördernde Schulkultur, welche in Biesfeld durchgehend organisch in den Alltag integriert sind und alle Bereiche durchdringen, soll an dieser Stelle ein weiterer Faktor hervorgehoben werden, der für eine begabungsfördernde Schulkultur ebenfalls grundlegen ist und sich selbstredend auch positiv auf weitere Bereiche auswirkt.

So wurde an der GGS an mehreren Stellen die gute und wertschätzende Kommunikation zwischen den Lehrkräften untereinander sowie der Schulleitung deutlich, was wiederum die bereits genannten flachen Hierarchien spiegelt. Es herrscht eine spürbare Kultur der Offenheit, in der auch das Sprechen über Schwierigkeiten oder Fehler möglich ist. Mögliche Ziele und Wege werden gemeinsam entwickelt, diskutiert und umgesetzt, ein Diskurs ist stets möglich. Das Handeln der Schulleitung bleibt somit zu jeder Zeit transparent und ermöglicht den Akteuren zudem ein hohes Maß an Partizipation. Somit wird auf der Ebene der Lehrkräfte und der Leitung der Schule sowie in der Zusammenarbeit mit weiteren Akteuren das vorgelebt, was sich die Schule für die Kinder wünscht: Nämlich eine angstfreie, wertschätzende und Heterogenität anerkennende Kultur des Miteinanders.

[1] Vgl. zum im LemaS Projekt am Standort Paderborn vertretenen inklusiven Begabungsverständnis: Seitz, S.; Pfahl, L.; Lassek, M.; Rastede, M. & Steinhaus, F. (2016): Hochbegabung inklusive. Inklusion als Impuls für Begabungsförderung an Schulen. Weinheim/Basel: Beltz.Weigand, G. & Kaiser, M. (2021):  Separativ oder integrativ? Inklusive Begabungs- und   Begabtenförderung. In: Müller-Oppliger, Weigand, G. (Hrsg.): Handbuch Begabung (S. 290-301). Weinheim/Basel: Beltz.

 

[2] Schulprogramm der GGS Biesfeld

 

 

 

 

 

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